Das Sulmtaler Huhn
Das mitteleuropäische Landhuhn als solches ist asiatischen Ursprungs. Aus historischen, chinesischen und japanischen Schriften ist ersichtlich, dass in Asien schon 4000-5000 v. Chr. Hausgeflügel
gehalten wurde.
Der phönizische Welthandel brachte das Haushuhn an die Küsten des Mittelmeeres, wo es seit nunmehr 3000 Jahren heimisch ist. Wie Münzfunde aus 500 vor Chr. bekunden, war die Hühnerzucht zur Zeit
der Kelten und Germanen auch bei uns schon weit verbreitet. Unter Karl dem Großen (742 - 814) wurden schließlich eigens Verordnungen für die Hühnerzucht erlassen.
Schon viele Jahrhunderte bevor fremde Hühnerrassen in unser Gebiet eingeführt wurden, genoss das
Steirerhuhn unter allen mitteleuropäischen Hühnerrassen einen ausgezeichneten Ruf. Vor allem waren Kapaune für das geschmackvolle Fleisch bekannt. Die urkundlichen Erwähnungen dieser Qualität
stammen bereits
aus dem 14., 17., und 18. Jhd.
Es ist nicht verwunderlich, dass im ausgehenden 19. Jhd. die "Sulmtaler" an den Königshäusern in Wien und Frankreich als besondere Spezialität galten und auf den Märkten mehr als den dreifachen
Erlös für die Bauern einbrachten.
Damals bildeten die Geflügelhändler eine eigene Gilde, die "Kapaun-Fratschler“, welchen der noch heute so genannte "Kapaunplatz", ein Seitenarm des Franziskanerplatzes in Graz, für ihren
Geschäftsbetrieb zugewiesen war.
Der steirische Kapaun war wegen seiner Größe und der besonderen Zartheit seines wohlschmeckenden Fleisches damals weit über die Grenzen unserer Heimat hinaus bekannt und begehrt und wurde zu
mehreren 100.000 Stück ins Ausland geliefert, wo er an den Fürstenhöfen in ganz Europa verspeist wurde.
Zur Feier der Krönung von Kaiser Napoleon am 2. Dezember 1804 wurden neben anderem Geflügel 150 Kapaune und 50 Hühner vom steirischen Landesamt geordert, da das Steirerhuhn in Qualität und Güte
den französischen Masthühnern in keiner Weise nachstand.
Im laufe der Zeit wurde erkannt,
dass sich die ursprüngliche, europaweit geschätzte Qualität unserer Hühner massiv verschlechtert hatte. Um 1900 wurde vom Tierzuchtverein in Cilli/Slowenien auf Betreiben von Armin Arbeiter und
Emanuel Martiny eine Anstalt zur (Rein-)Zucht des Altsteirerhuhns gegründet.
Erklärtes Ziel war die Rückkehr zur altbewährten steirischen Geflügelzucht, um den Status quo vor Einführung der fremden Hühnerrassen wiederherzustellen.
Das Sulmtaler Huhn ist eine Schöpfung Armin Arbeiters, der es aus dem vollkommen uneinheitlichen Landschlag des Sulm- und Saggautales in einem Zeitraum von 5 Jahren heraus gezüchtet und diesem
Schlag auch den Namen gegeben hat.
Um das Jahr 1900 wurden die in den Kornkammern des Weinlandes erhaltenen gebliebenen Hühner
von Armin Arbeiter gesammelt,
gezüchtet, standardisiert und als Sulmtaler Hendl benannt
. Armin Arbeiter widmete sich bis 1915 der Reinzucht des Sulmtaler Huhns aus unverfälschten Geflügelbeständen der Regionen Sulmtal und Saggautal und es gelang ihm, ein erstklassiges Fleischhuhn,
passend für die fetten, ergiebigen Ackerbaugebiete südlich und südwestlich von Graz, zu züchten.
Darüber hinaus war das Sulmtaler Huhn ein Segen für die Steiermark südlich von Graz bis Pettau, Cillie und Rann, da es als Zweinutzungshuhn für Eier und Fleisch in der Bevölkerung sorgte.
Dadurch war es sowohl wichtige Einnahme- als auch Versorgungsquelle. Nach Armin Arbeiters Tod im Jahr 1917 und nach drastischen Rückgängen des Bestandes während des 1. Weltkrieges
fand sich erst wieder in Franz Koschar um 1925 ein Förderer des Sulmtaler Huhnes.
Den 2. Weltkrieg überstanden die Sulmtaler in der Zuchtanstalt Dornegg, mussten aber auf behördlichen Auftrag auf Legeleistung gezüchtet werden. Dadurch gingen Körpergewicht und Mastfähigkeit
stark zurück, in den bäuerlichen Zuchten jedoch blieben sie mit einem zufrieden stellenden Gewicht erhalten.
Bereits 1945 konnte man in der Gegend von Stainz, Oisnitz, Preding und Wieselsdorf auf fast allen Bauernhöfen prächtige und schwere Sulmtaler finden.
Nur 12 Jahre später ereignet sich ein folgenschwerer Rückschlag: Mit dem Aufkommen der industriellen Hühnerzucht wurde die große Zuchtanstalt für das Sulmtaler Huhn in Dornegg aufgelassen,
und auch das Land Steiermark verlor das Interesse an der Förderung der heimischen Naturrasse.
So geriet nicht nur das Sulmtaler selbst, sondern auch das landwirtschaftliche Potential dieser Hühnerrasse beinahe in Vergessenheit.
Engagierten und couragierten Züchtern ist es zu verdanken, dass das einst so beliebte Sulmtaler Huhn nicht nur vor dem Aussterben gerettet wurde, sondern nun wieder seinen Siegeszug durch die
Länder Europas antritt, um sich seinen gerechtfertigt hohen Stellenwert sowohl im steirischen Hühnerhof als auch in der internationalen Gourmetküche zurück zu erobern.
Unter der Schirmherrschaft der Sulmtaler Vermarktungs GmbH wird nicht nur an der Wiedereinführung der Sulmtaler gearbeitet, sondern auch Schutzmaßnahmen ergriffen, um ein weiteres Vergessen
dieser Naturrasse ein für allemal zu unterbinden. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Marburg und Laibach und unter dem Schutz der Europäischen Union wird das Sulmtaler Huhn in Zukunft wieder
seinen angestimmten Platz als "das kulinarische Wappentier der Steiermark" zurückerhalten.